Gesundheit
23.09.2021
Kopfschmerzen auf der Spur
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Teil 1: Formen und Ursachen
Kopfschmerzen zählen zu den häufigsten Erkrankungen mit dem größten nachteiligen Einfluss auf den gelebten Alltag. Die Betroffenen sind durch die Erkrankung massiv in den verschiedensten Bereichen ihres Alltags, wie Beruf, Freizeitgestaltung oder Selbstverwirklichung, eingeschränkt. Auch Training und Therapie leiden darunter. Ein Blick auf die Formen und Ursachen lohnt sich.
In Europa liegt die Wahrscheinlichkeit, wenigstens einmal im Leben an Kopfschmerzen zu leiden, bei etwa 95 Prozent. Sogar 50 bis 60 Prozent der Menschen haben chronische Kopfschmerzen. Viele werden förmlich aus der Bahn geworfen, sind dem Schmerzerleben ausgeliefert und ziehen sich mit dieser Erkrankung regelrecht zurück. Häufig entwickeln Betroffene selbst Strategien dagegen. Oft erdulden sie einfach die Schmerzen oder nehmen regelmäßig Schmerzmittel ein. Beides ist auf Dauer weder Erfolg versprechenden noch effektiv.
Kopfschmerz ist nicht gleich Kopfschmerz
Die medizinische Einteilung und Beurteilung von Kopfschmerzen stellen einen wichtigen Baustein für die Entwicklung einer geeigneten und spezifischen Behandlungsstrategie dar. Schmerzen sind immer ein individuelles Erlebnis und kein Kopfschmerz gleicht einem anderen. Um ein gesundheitliches Problem oder eine Erkrankung effektiv angehen zu können, hilft Wissen. Wissen nimmt den Schrecken und ermöglicht gezieltes Handeln.
Mit wissenschaftlicher Akkuratesse sollte einmal die Art des Kopfschmerzes ergründet und zum anderen die dazu passende Behandlungsstrategie gewählt werden. Denn Kopfschmerz ist nicht gleich Kopfschmerz.
Kopfschmerzformen
Mittlerweile werden in der Medizin mehr als 240 Formen von Kopfschmerzen wissenschaftlich unterschieden. Die ICHD-3 von 2018 ist das aktuelle Klassifikationsmodell, in dem 14 Hauptgruppen mit Unterformen beschrieben werden (ICHD = International Classification of Headache Disorders).
Einteilung von Kopfschmerzformen nach der ICHD-3
Primäre Kopfschmerzen
- 1. Migräne
- 2. Spannungskopfschmerz
- 3. Trigemino-autonome Kopfschmerzen
- 4. Andere primäre Kopfschmerzformen
Sekundäre Kopfschmerzen
- 5. Kopfschmerz durch Verletzung von Kopf oder Halswirbelsäule
- 6. Kopfschmerz durch Gefäßstörung an Hals oder Kopf
- 7. Kopfschmerz durch nicht vaskuläre intrakranielle Störung
- 8. Kopfschmerz durch eine Substanz oder deren Entzug
- 9. Kopfschmerz durch eine Infektion
- 10. Kopfschmerz durch Störung der Homöostase (Gleichgewicht der inneren Prozesse)
- 11. Kopfschmerz durch Erkrankung von Schädel, Nacken, Augen, Ohren, Nase, Nebenhöhlen, Zähnen, Mund oder anderen Kopf- oder Nackenstrukturen 12. Kopfschmerz durch psychische Störungen
Schmerzhafte kraniale Neuropathien, andere Gesichts- und Kopfschmerzen
- 13. Schmerzhafte kraniale Neuropathien und andere Gesichtsschmerzen
- 14. Andere Kopfschmerzformen
Dabei sind Spannungskopfschmerz (SKS) und Migräne mit großem Abstand die häufigsten Formen von Kopfschmerz. Sie machen immerhin 92 Prozent aller Kopfschmerzen aus. Um die eigene Kopfschmerzform von anderen zu unterscheiden, sind einige Merkmale hilfreich, die möglichst genau in einem Kopfschmerztagebuch beschrieben werden sollten.
Orientierung geben die folgenden Kriterien: Qualität: Wie fühlt sich der Kopfschmerz an? Drückend – pulsierend – klopfend – grell stechend – dumpf ziehend? Stärke: Leicht – stark – mittelstark – stark – sehr stark – unerträglich? Episoden: Wie häufig tritt der Kopfschmerz auf? 1 x / Tag – 2 x / Woche – 1x/ Monat? Dauer: Wie lange dauern die Schmerzen an? Minuten – Stunden – Tage? Auslöser: Welche Faktoren bringen die akute Kopfschmerzattacke in Gang? Welches sind die sogenannten Kopfschmerz-Trigger? Begleitsymptome: Übelkeit – Schwindel – Tinnitus – verspannte Muskeln – Kieferschmerzen oder … Die Notizen der individuellen Erfahrungen ergeben eine umfassende Beschreibung und bilden die Grundlage für eine effektive Behandlungsstrategie.
Differenzierung zwischen Spannungskopfschmerz und Migräne
Um die zwei häufigsten Kopfschmerzformen – Spannungskopfschmerz (SKS) und Migräne – unterscheiden zu können, dient eine Übersicht der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale (siehe Tab. 1). Denn das Gesamtbild ist für eine passende Zuordnung entscheidend.
Ursachen – aktueller Stand der Wissenschaft
Es gilt als wissenschaftlich gesichert, dass es sich bei den Ursachen von SKS und Migräne um eine grundlegende Übererregbarkeit des Nervensystems (Trigemino-vaskuläres System) handelt. Die Oberfläche der Nerven – besonders die des Trigeminusnervs, der die Kaumuskulatur, große Teile des Gesichtes und vor allem alle Blutgefäße im Gehirn versorgt –, reagiert sehr stark übersensibel und leitet entzündliche Prozesse in den Zellen des Hirnstamms und den hirnversorgenden Blutgefäßen ein. So werden die Oberflächen der Nervenzellen auf zwei Wegen getriggert: einmal durch die Übererregbarkeit der Nerven selbst – zum anderen durch die gesteigerte Durchblutung aufgrund der Entzündung. Die verstärkte Durchblutung reizt die ohnehin schon sensibilisierten Gefäßwände immer weiter und steigert die Schmerzreaktion. Das erklärt die stetig ansteigende Schmerzintensität bei einer Migräne. Chemische Botenstoffe (Hormone) wie beispielsweise Serotonin verstärken diese Effekte durch eine Mehrdurchblutung.
Eine weitere Ursache findet sich im Ungleichgewicht zwischen den Neurotransmittern GABA und Glutamat. Während GABA eine hemmende und beruhigende Wirkung auf das Nervensystem ausübt, verantwortet das Glutamat eine anregende und reaktionssteigernde Wirkung auf das Nervensystem. Und schon sind wir mit der Ursachenforschung auch im Bereich der Ernährung angekommen. Viele Kopfschmerzbetroffene erleben spezielle Nahrungsmittel oder bestimmte Gewürze als Kopfschmerz auslösend.
Auch ein gefäßaktiver Botenstoff (CRGP), der für eine Weitung der Blutgefäße und eine resultierende höhere Entzündungsneigung verantwortlich gemacht wird, sowie eine genetische Besonderheit zur Kälteregulation (TRMP8) sind als Auslöser von Migräne mittlerweile lokalisiert und bekannt. Über die Auslöser und die Bewältigungsstrategien berichten wir in der nächsten Ausgabe.
Kay Bartrow
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